.I. DIE MÄRKTE


1. Die Entstehung der Märkte


Der Handel ist fast so alt, wie die Menschheit selbst. Schon die Bibel berichtet von Mose (um 1250 v. Chr.): „Wenn aber der Weg dorthin (für den Zehnten abzuliefern) deine Kräfte übersteigt, (…) dann sollst du alles für Silber verkaufen, das Silber als deinen Besitz zusammenbinden, zu der Stätte ziehen, die der Herr, dein Gott, auswählt, dort für das Silber alles kaufen, worauf du Appetit hast – Rinder, Schafe, Ziegen, Wein und Bier, (…).“


Ferner heißt es: „Du sollst in Deinem Beutel nicht zwei verschiedene Gewichte haben ein größeres und ein kleineres. (…) Volle und richtige Gewichte sollst du haben, (…)“ und „Falsche Waage ist dem Herrn ein Greuel, volles Gewicht findet seinen Gefallen.“ Also war vor mehr als 3000 Jahren der Handel schon am Blühen, Betrügereien waren an der Tagesordnung. Die Zeit des Tauschhandels war lange vorbei, es wurde Silber (und Gold) als Zahlungsmittel genutzt. Erst um 650 v. Chr. Wurden in Lydien die ersten Münzen geprägt.


Bekannt ist auch die Tempelreinigung in Jerusalem: „Jesus ging in den Tempel und trieb alle Händler und Käufer aus dem Tempel hinaus; er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um.“ Der Tempel wurde also als Marktplatz genutzt.


Die Vielzahl der Waren wird bei der Zerstörung Babels im Jahr 689 v. Chr. Beschrieben: „Auch die Kaufleute der Erde weinen um sie (die Stadt Babel), weil niemand mehr ihre Ware kauft: Gold und Silber, Edelsteine und Perlen, feines Leinen, Purpur, Seide und Scharlach, wohlriechende Hölzer aller Art und alle möglichen Geräte aus Elfenbein, kostbarem Edelholz, Bronze, Eisen und Marmor; auch Zimt und Balsam, Räucherwerk, Salböl und Weihrauch, Wein und Öl, feinstes Mehl und Weizen, Rinder und Schafe, Pferde und Wagen und sogar Menschen mit Leib und Seele.“


Der Handel ist also seit vielen tausend Jahren von immenser Bedeutung, von ihm hing der Reichtum eines Staates ab. Auf den Spuren fremder Kaufleute wurden ferne Reisen unternommen, kühne Seefahrer wagten sich an fremde Küsten, der Warenaustausch brachte großen Gewinn, und der Gewinn trieb die Händler und Spekulanten zu immer waghalsigeren Unternehmungen. So kam Christoph Kolumbus schließlich 1492 nach Amerika und ungeheure Schätze flossen nach Europa.


2. Der Zweck der Märkte


Im 15. Jahrhundert florierte der Handel in Deutschland. Städte schlossen sich zusammen, um die Waren auf den Handelswegen leichter schützen zu können. In dieser Zeit wurden vom Kaiser verschiedenen Landesherren die Marktrechte zugesprochen. Dies geschah meistens aus Eigenbedarf. Durch den „gemeinen Pfennig“, die Reichssteuer, konnte der Kaiser am regen Handel profitieren. Die Märkte diensten aber nicht nur dem Vorteil des Kaisers, sondern vor allem dem des Landesherren und dem Ort selbst. Die Bauern und Bäuerinnen kamen oft von weither, um auf den Märkten ihre Waren feilzubieten.


Auf den Märkten konnte man alles finden, was man brauchte, von der Stecknadel über Töpfe bis hin zum Vieh. Die Märkte waren ein Ort der Begegnung. Es wurde der neueste Tratsch und die neuesten Rezepte und Erfahrungen ausgetauscht. Die zwischenmenschlichen Beziehungen wurden also auch beim Ein- und Verkaufen gepflegt.


3. Die Entwicklung der Märkte bis ins Mittelalter


1254 flackerten in Deutschland zahlreiche Fehden auf. Um den Landfrieden zu sichern, wurde der Rheinische Städtebund gegründet, welchem sich auch Bischöfe und Landesherren anschlossen. Im 13. Jahrhundert wurden Könige gewählt und abgewählt, anerkannt oder auch nicht, bestimmt und wieder abgesetzt. Es war eine turbulente Zeit. Die Kreuzzüge waren vorbei (Ende: 1291), der Papst lag mit vielen Herrschern im Streit, die deutschen Fürsten waren zerstritten. So begann in Deutschland ab 1256 das Interregnum - die kaiserlose Zeit. 1302 sagte König Albrecht I. den Rheinstädten die Zollfreiheit zu. 1356 erließ Kaiser Karl IV. ein neues Reichsgesetz, „Goldene Bulle“, die die weiteren Königswahlen nach dem Mehrheitsprinzip regelt. So sollte ein König durch die sieben Kurfürsten im Mehrheitsbeschluss ernannt werden.


Zur gleiche Zeit erhielt die Hanse und somit die deutschen Kaufleute, immer mehr Bedeutung. 1370 wurden nach dem Krieg gegen Dänemark im Frieden von Stralsund alle Handelsvorrechte bestätigt. Die Hanse war auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Gutenberg erfand in Mainz den Buchdruck und druckte 1445 erstmals mit beweglichen Lettern. Die Macht des Adels ging auf die Städte über, die sich zusammenschlossen. Dadurch gewann der freie Handel immer Mehr Bedeutung. Das bürgerliche Freiheitsbewusstsein wuchs. Durch die Kreuzzüge wurde der orientalische Lebensraum entdeckt, neue Handelswege erschlossen und ein Handelsaustausch in riesigem Umfang setzte ein. Natürlich wollte jeder davon profitieren, und so entstand nach und nach das Raubrittertum. Das war für den Handel eine große Plage. Überall mussten auf den Handelswegen Steuern oder Wegezoll gezahlt werden, und oft wurden ganze Warenzüge geraubt.


II. Der Ort Wallhausen


1. Wallhausen unter der Herrschaft der Herren von Dalberg


Contram von Dalberg errichtete 1006 in den Wäldern von Wallhausen ein Haus und nannte es „Waldhaus“. Aus diesem einzelnen Haus wuchs ein Dorf – „Waldnhusen“, was später in Wallhausen umgewandelt wurde.


Contram von Dalbergs Sohn, Stephanus, hatte den ersten Kreuzzug 1095 mitgemacht und die ganze hiesige Gemarkung gegen einen Grundzins angewiesen bekommen, wohl als Lohn für seine tapferen Reise.


Im 12. Jahrhundert bekam der Ritter Godebold II. von Weierbach das Gebiet vom Bischof von Speyer zum Lehen. Um 1170 erbaute dessen Sohn, Ritter Godebold III., die Dalburg nannte sich daraufhin „Herr von Dalberg“. Während der Französischen Revolution starb die Herrschaft Dalberg aus, als sich Freiherr Karl Alexander von Dalberg 1792 der französischen Verfassung unterwarf und seinem Adel entsagte. Fortan nannte er sich nun Bürger Karl Alexander Dalberg. Dies war das Ende der über 600 Jahre dauernden Oberherrschaft der Freiherren von und zu Dalberg.


Die große Bedeutung der Dalberger lässt sich besonders gut an einem Beispiel aus der Geschichte belegen. So wurde zum Beispiel Wolfgang von Dalberg von Kaiser Friedrich III. als erster von 200 Mitbewerbern auf der Tiberbrücke in Rom zum Ritter geschlagen. Auch wenn später Ritter ernannt wurden, war als erstes die Frage: „Ist ein Dalberg da?“ Sie wurden dann stets als erste zum Ritter geschlagen.


Die Dalberger besaßen in ihrem Herrschaftsgebiet die Hochgerichtsbarkeit, das heißt sie hatten die Entscheidungsgewalt über Leben und Tod.


2. Die Wirtschaft des Ortes Wallhausen


Schon im 13. Jahrhundert besaß Wallhausen ein eigenes Wappen, das außer zwei Lilien, dem Zeichen der Dalberger, auch noch eine Weintraube zeigte, die von regem Weinbau in jener Zeit Zeugnis ablagt. Wallhausen hatte also schon recht früh eine gewisse Bedeutung, da ein Warenaustausch und Handel sicherlich auch in größerem Stil betrieben wurde.


Die Dalberger bekamen zwischen 1493 und 1519 von Kaiser Maximilian I. auch das Marktrecht zuerkannt. Durch das offizielle Marktrecht wuchs der Ort immer mehr. Im Jahre 1660 hatte Wallhausen 68 Haushaltungen, 1730 waren es 125 und 1866 bereits 250 Haushaltungen mit 1.333 Einwohnern (am 30.06.1992 waren es 768 Haushaltungen mit 1.694 Einwohnern).


Auch das Handwerk war gut vertreten. Im Jahre 1701 gab es (bei 90 Haushaltungen): zwei Bäcker, zwei Müller, einen Ölmüller, drei Küfer, einen Bierbrauer, einen Ziegler, vier Schreiner, zwei Glaser, zwei Schlosser, einen Zimmermann, sechs Wagner, zwei Schmiede, einen Strohschneider, einen Häfner, drei Leineweber, einen Wollweber, einen Strumpfstricker, drei Schneider, zwei Rotgerber und drei Schuster. Bereits im Jahre 1501 wird eine Badestube erwähnt (heute eine Ortslage rund um die Schule Wallhausen). 1519 gab es ein Guterleuthäuschen vor dem Graben und 1619 ein Spital für alte Leute.


Ins 16. Jahrhundert reicht auch die Entstehung der Zünfte in Wallhausen zurück, der auch heute noch bestehenden Nachbarschaftszünfte. Man wollte sich hier in Notzeiten, in Krankheitszeiten und bei Sterbefällen gemeinsam helfen. Es gab Vorschriften, wie man sich in solchen Fällen zu verhalten hatte, wie man sich gegenseitig beim Laden von Wein helfen sollte, aber auch, wann und wie oft man zur Kirche gehen musste. Das Dorfleben war immer eng mit der Kirche verbunden.


Alte Urkunden belegen, dass der Weinbau bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Im Jahre 1613 gab es neben 80 Morgen Ackerland auch 85 Morgen Weinberge.


3. Die historische Entwicklung des Ortes


Im Jahre 1006 soll das erste Haus von Contram von Dalberg erbaut worden sein. Tatsache ist jedoch, dass in der Gemarkung Wallhausen schon vor 8000 Jahren Siedlungen bestanden. Funde aus der Jungsteinzeit, der Bronzezeit, der Keltenzeit, der Römerzeit und der Frankenzeit können das belegen.


Schon früh entstand auch die erste Kirche in Wallhausen. Es heißt, dass ein Gotteshaus bereits 1111 erbaut und 1118 geweiht wurde. Die Gemeinde muss also schon eine gewisse Größe gehabt haben, den 1219 war Wallhausen bereits Pfarrei. Wallhausen war bis auf eine kurze Unterbrechung während der Reformation katholisch.


Während 1575 ein gefährlicher und schrecklicher Brand in Wallhausen wütete, war es in den Jahren 1607, 1630 und 1666 die Pest, die sehr viele Opfer forderte. Auch wurde Wallhausen im 30-jährigen Krieg (1618-1648) des Öfteren geplündert, besonders in der Zeit vom 29.11.1620 bis zum 20.04.1641. Es wird von Schwedengreueln berichtet, wo Soldaten plünderten und die Bewohner misshandelten.


Von 150 Häusern waren nur noch 38 bewohnt. Auch im Jahre 1675 wurde in Wallhausen durch eine Feuersbrunst ein Großteil des Ortes vernichtet. Unter Ludwig XIV. zerschlugen Soldaten 1673 die Türen der Kirche, es wurde Geld erpresst und Zwangseinquartierungen vorgenommen. Unter anderem wurden 1684 die Lothringer einquartiert. 1703 beklagten sich die Wallhäuser Bürger über weitere Soldantenfuhren, 1705 über die Einquartierung brandenburgischer Soldaten. Am 08.11.1795 wurde Wallhausen von den Franzosen unter Jourdan und Bernadotte eingenommen. Am 01.12.1795 zwangen die Österreicher sie zum Rückzug. Ab November 1796 waren die Franzosen doch Landesherren.


1813 schleppten Heimkehrer aus der Leipziger Schlacht den Typhus ein; in Wallhausen beklagte man 80 Todesopfer. Im Januar 1814 rückten Preußen unter Blücher ein, am 01.06.1814 wurde die Gemarkung preußisch.


III. DIE MÄRKTE IN WALLHAUSEN


1. Die Entstehung der Märkte


Als der Habsburger Maximilian I. 1493 deutscher Kaiser wurde, begann für Wallhausen und die Herrschaft Dalberg eine wichtige Phase. Maximilian war ein sehr volksnaher Herrscher und deshalb auch sehr beliebt beim Volk. Auf dem Wormser Reichstag 1495 wurde ein ewiger Landfriede beschlossen. Die Reichssteuer, auch der „gemeine Pfennig“ genannt, wurde eingeführt. Sie bestand bis 1913. Die Durchführung der Steuer war zu Maximilians Zeiten jedoch ein eher mühseliges Unterfangen, da die Fürsten massiven Widerstand leisteten.


Maximilian I. war ständig in Geldnot. Zu Hilfe kam ihm Jakob Fugger, den er in Augsburg traf, wo Maximilian des Öfteren weilte. Jakob Fugger war zu jener Zeit der bedeutendste Kaufmann Europas. Jakob Fugger ermöglichte es dem Kaiser, ein Heer zu unterhalten und Kriege zu führen.


Maximilian lag viel am freien Handel, woran er durch die Reichssteuer profitieren konnte. So wurde auch der Herrschaft Dalberg erlaubt, in Wallhausen regelmäßige Märkte einzurichten. Durch den Marktfrieden stand der Markt unter dem besonderen Schutz des Königs bzw. des Kaisers. Später konnte das Marktrecht auch von Fürsten verliehen werden.


Die Schulchronik beschreibt die Marktsituation wie folgt:

„ Auch wurden unter der Regierung des Kaisers Maximilian I., also zwischen 1493 – 1519 Vieh- und Krammärkte hier eingerichtet, welche in der Folge sehr bedeutend wurden und sich auf dieser Höhe hielten bis zur Gründung des Kreuznacher Jahrmarktes im Jahre 1810. Die beiden Haupt Vieh- und Krammärkte waren am Montag nach Sankt Laurenzi, den 10. August und am Montag nach Sankt Michaeli, den 29. September, und dauerten einige Tage. Auch waren vom Michaelitag an bis in den Winter alle 14 Tage Viehmärkte. Die Marktplätze waren für Krämer sowie die meisten Straßen des Dorfes und für Vieh ein ungefähr 10 Morgen großer Baumfeldplatz vor der früheren Kirchpforte, die kleineren Märkte gingen vor ungefähr 50 Jahren ein (etwa 1840) und die beiden Hauptmärkte wurden um das Jahr 1880 durch Gemeinderatsbeschluss auf einen Tag und zwar zu Anfang des Monats September gesetzt. Jetzt ist der Viehmarkt für das Jahr 1896 ganz aufgehoben worden und der Krammarkt, der nur noch in der Kirchgasse abgehalten wird, liegt in den letzten Zügen.“


Im Jahre 1896 wurde die Kleinbahn eingeweiht, die die Verbindung Wallhausen – Kreuznach öffnete, so dass jeder den Weg in dreißig Minuten machen konnte. Dadurch entstand ein größerer Freiraum, da man durch die Eisenbahnverbindung überall hin gelangen konnte und nicht mehr auf die heimischen Produkte angewiesen war.



2. Die Marktordnung


Nach einem Dekret von 1696 durften nach Wallhausen keine fremden Weine eingeführt werden, was vorher schon ein altes Abkommen war. Hiervon wollte man 1721 zwar abgehen, das Verbot wurde jedoch erneuert. Bei den Märkten durfte also nur Wallhäuser Wein verzapft werden. Die Untertanen der Herrschaft waren mit folgenden Abgaben belegt: Ohmgeld vom Weinzapf, Ausfuhr-, Stand-, Markt- und Abtriebsgeld, Loskaufsgeld, Geld vom Fruchtbranntweinbrennen, Zehntenpfennig bei Verkäufen liegender Grundstücke etc. Die Einkünfte der Herrschaft aus Stand-, Markt- und Abtriebsgeld müssen also recht bedeutend gewesen sein, dass sie mit an der Spitze der Abgaben erwähnt sind. Allerdings waren diese Einkünfte nicht kontinuierlich, sondern den Gegebenheiten der Zeit angepasst.


Per Gerichtsbeschluss wurde sogar festgelegt, welche Gewichte und Waagen zu verwenden seien. Hierzu gibt eine Protokollschrift aus den Gerichtsakten der Herrschaft Dalberg Auskunft: „Von nun an und künftig solle den Juden verbotten sein mit denen Schneppwagen das Fleisch pfundweis auszuwiegen bei Strafe eines Reichstalers, sondern sie sollen Balkenwagen mit 2 Schalen haben, damit der Unthertan um so leichter erkennen und sehen könne. Sollen auch ordentliche Gewichter haben und solche nit von Stein oder Bly.“


3. Die Rolle der Butterbänke


Die Butterbänke sind Relikte aus der napoleonischen Zeit. Napoleon und seiner Frau Marie Luise von Österreich war (der Überlieferung nach) aufgefallen, dass die Bäuerinnen auf dem Lande es oft schwer hatten, ihre Kiepen oder Körbe wieder auf den Rücken zu hieven. Da es des Öfteren auch schwangere Frauen waren, die diese schweren Lasten meist über kilometerlange Strecken zu transportieren hatten, wollte das Kaiserpaar diesen armen Leuten eine Erleichterung verschaffen. Das Ergebnis dieser kaiserlichen Landpartien ist auch heute noch zu bewundern. So zum Beispiel auch in Wallhausen, wo es auch heute noch die steinernen Ruhebänke gibt. Früher waren es fünf Ruhebänke, heute sind nur noch zwei Exemplare erhalten (am Ortsausgang Richtung Dalberg, Abzweigung Richtung Hergenfeld und am Ortsausgang Richtung Gutenberg in der Straße „An der Ruh“).


Diese Ruhe- bzw. Butterbänke waren meistens auf zwei oder drei Vierkantpfosten aufgebaut und wiesen davor eine Steinbank zum Sitzen auf. Die Butterbänke dienten dazu, die schweren Lasten leichter abstellen und aufnehmen zu können. Da die Waren oft aus den entlegensten Winkeln zu den Märkten transportiert wurden, waren die Butterbänke ein willkommener Rastplatz.



4. Die Märkte und das Gericht


Trotz aller Rückschläge wie Kriege und Epidemien waren die Einnahmen aus den Märkten so bedeutend, dass hierüber in einer Gerichtsverhandlung entschieden werden musste. So wollte unter anderem die Herrschaft Dalberg auch das Markt- und Standgeld des Ortes für sich beanspruchen. §30 der Prozessschrift der Gemeinde Wallhausen gegen die Herren von Dalberg vom 22.02.1748 beschreibt den Streit folgendermaßen: „Gleichwie aber eine solche Urthel, wo der Gegentheil gar nicht gehöret worden, anderst nicht, als ein Mandatum S. C. anzusehen, wogegen Exceptiones sub- & obreptionis zugelassen, solches auch in diesem Fall um so mehr eine Anwendung haben muß, als die Wachholderhecken und das Marck- und Stand-Geld, noch nie ein Objectum Litis gewesen, und die Herrschafft deswegen selbst nur extrajudicialiter ein Mandat nachgesucht hat; So ist die Gemeinde ihre Notdurfft dagegen anzuführen, vornemlich aus der Ursache genöthiget worden, weil dadurch die Gestalt der Sache fast völlig geändert worden. Und zwar

Ad 1.) Kommt es lediglich darauf an: wer bis hieher im Besitz der Erhebung des Marck- und Stand-Gelds gewesen? Die Gemeinde hat sowohl durch ihre Rechnungen von 1624 bis 1743, als Zeugnüße verschiedener Kaufleute, die seit vielen Jahren den Marck besuchet, in Actis dargethan, daß Sie das Marck- und Stand-Geld von jeher erhoben, und ad Usus publicos verwendet.

Der abgelebte Herr von Dalberg hat aber solches Anno 1744 unter dem Vorwand, der Gemeinde zuerst entzogen, weil ihme, Krafft eines Privilegii Maximiliani II. daselbst das Jus Nundiarum zustehe. Welches die Gemeinde damalen bey diesem Höchsten Gericht so fort angezeigt. Es kann also dieser Eingriff, qui Liti Causam dedit, vor die Herrschafft nicht einmal eine Possessionem momentaneam würken.

Das vorangeführte Privilegium hingegen beweiset nichts, als daß denen Herren von Dalberg, zu besserer Nahrungs-Aufnahme ihrer Unterthanen, von Maximiliano II. das Marck-Recht seye verwilligt worden, und ist keine Folge, daß ihnen auch deswegen das Marck- und Standgeld zukommen müsse; weil solches an vielen Orten, zu Bestreitung der dabey vorkommenden Auslagen, den Magistratibus überlassen wird. Auf welche Art die Gemeinde Wallhausen solches ebenfalls hergebracht, und in ruhigem Besitz hat. Welches dann auch hier den Rechtlichen Ausschlag geben muß, und ist übrigens genug, daß die Herrschaft durch den dabey habenden Weinzapf, gleichfalls einen nicht geringen Nutzen hat, die Gemeinde aber das Marck- und Stand-Geld nicht vor sich selbst, sondern ad Usus publicos verwenden muß.

Weil aber der Herr von Danlberg in seinen Schrifften nichts darauf eingewand, und also bey diesem Nachgeben, darüber keine Richterliche Entscheidung zu erwarten ware, hat die Gemeinde sich von neuem ihrer Possession genähert, und so wohl das Marck- und Stand-Geld wieder eingenommen, als durch das Gericht die Jurisdiction, (zu dessen Kennzeichen sie auf die Brück eine Hand mit einem Schwerd pflegt auszustellen) vor wie nach administriren lassen. Gleichwohl ist sie, (nachdem die Sache wieder in die Rechtsweege gediehen, und obschon die Erkennung eines Mandati S. C. Niemand aus der Possession setzet,) aus schuldigster Verehrung vor dieses Kayserliche Kammer-Gericht, numehro die Höchst-Richterliche Entscheidung drüber abzuwarten gewillet, mit der unterthänigsten Zuversicht, daß in Betracht des erwiesenen Besitzes, sie dabey ohnverzüglich werde gehandhabt werden.“


Die Wallhäuser bekamen letztendlich das Markt- und Standgeld zugesprochen. Die Herrschaft Dalberg musste sich mit den Einnahmen aus dem Weinzapf begnügen, was auch keine geringe Summe war.


IV. DIE ENTWICKLUNG DER WALLHÄUSER MÄRKTE IM ÜBERBLICK (BIS HEUTE)


Der Markt in Wallhausen wurde zwischen 1493 und 1519 von Maximilian I. gegründet. Im Laufe der Jahre wuchs der Markt so an, dass er bald zu einem der bedeutendsten Märkte der Umgebung zu jener Zeit wurde. Natürlich litt der Markt auch unter äußeren Einflüssen: Kriege, Pest, Brände etc. Aber er hat sich immer wieder erholt und war um 1800 in seiner Zenitphase, bis 1810 der Kreuznacher Jahrmarkt eröffnet wurde. Von diesem Zeitpunkt an verlor der Markt in Wallhausen an Zugkraft. Die alle zwei Wochen stattfindenden Viehmärkte wurden ganz aufgegeben, und die Krammärkte auf einen Tag am letzen Wochenende im september – Sankt Michaeli – begrenzt. Durch einen Gemeinderatsbeschluss ist ein Datum festgelegt worden, an dem auch heute noch die Wallhäuser „Kerb“ stattfindet – das zweite Wochenende im August, auf Sankt Lorenzitag, dem Schutzpatron der Wallhäuser Kirche.


Während die Märkte früher fast ausschließlich für den Handel reserviert waren, so ist es heute die Vergnügungssuche, die die Leute nach Wallhausen auf die Kerb zieht. Von den ehemals lebensnotwendigen Dingen wurde übergegangen zu eher nutzlosen Gegenständen: Plüschtiere, Plastikblumen am Schießstand, Karussells etc.


Lediglich auf dem Kreuznacher Jahrmarkt ist noch eine Spur von der alten Tradition zu finden: zum Beispiel die „Baumwollgass“ oder der „Klamotteweg“ oder die „Dippestroß“; dort sind noch Kleidung, Haushaltsgeräte und Lebensmittel (Gewürze… ) zu bekommen.




V. SCHLUSSBETRACHTUNG


Aus dem bisher Gesagten ergibt sich zusammengefasst folgendes Bild:

Handel und Märkte gab es schon vor Tausenden von Jahren. Der Handel erreichte in Mitteleuropa seine Blütezeit jedoch erst im 15. Jahrhundert. Diese wurde hauptsächlich durch die Hanse und Jakob Fugger begründet. Auf den Märkten wurden alle nur erdenklichen Waren angeboten. Die Märkte wurden zumeist durch die Kaiser und Könige des Mittelalters gegründet, später durften auch die Fürsten Märkte einrichten. Heute haben die Märkte eine andere Bedeutung erhalten. Nur selten findet man noch welche, die die alte Tradition weiterführen.


Der Markt in Wallhausen wurde unter Maximilian I. zwischen 1493 und 1519 gegründet bzw. gestattet und war gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf seinem Höhepunkt. Die Industrialisierung sowie die Einrichtung und Verbesserung der Verkehrswege sorgten für das Ende der lokalen Märkte. Überbleibsel dieser ehemals so wichtigen Einrichtung sind heute die Kirmestage. Die Kerb in Wallhausen ist wie früher auch der Markt ein besonderer Höhepunkt und ein Glanzstück dieser Region. Die einzige Beziehung zum früheren Markt ist auch heute noch das Datum „Sankt Laurenzi“ am zweiten Wochenende im August.


So kann man rückblickend 500 Jahre Markt bzw. Kerb in Wallhausen feiern – eine Zeit, auf die die Wallhäuser stolz sein können…         

 

 

                                                                                                                                                 Von Daniela Friedrichs